Geschichte der Stadt Trier
Trier, in einer weiten fruchtbaren Ebene des sonst so engen Moseltals gelegen, umrahmt im Osten von den sanften Rebenhängen des Hunsrücks, im Westen überragt von den trotzig steil aufragenden roten Sandsteinfelsen der Eifelberge, ist eine der schönsten Städte des weiten deutschen Landes. Von ihr sagt des großen Dichters Schiller Sohn Ernst, den die Stadt einst zu ihren Bürgern zählte: 'Einen solchen Reichtum an landschaftlichen Partien sah ich nie auf einem so kleinen Raum.' Doch größeren Ruhm erwarb sich Trier, die Hauptstadt des weströmischen Reiches und jahrhundertelange Residenz der Erzbischöfe und Kurfürsten, durch seine 2000jährige Kultur. Es hat die Ehre, Deutschlands älteste Stadt zu sein, wie es die Inschrift am Roten Haus sagt:
'Ante Romam Treveris stetit annis mille trecentis. Perstet et aeterna pace fruatur. Amen.' (Eher als Rom stand Trier eintausenddreihundert Jahre. Möge es fürder bestehen und ewigen Friedens sich freu’n. Amen)
Mag diese Zurückführung seines Alters bis in die Zeiten Abrahams auch sagenhaft sein, so weisen doch zahlreiche urgeschichtliche Funde darauf hin, daß der Raum der Stadt Trier bereits in vorgeschichtlicher Zeit besiedelt war. Als Julius Cäsar in den Jahren 58 - 50 v. Chr. Gallien eroberte und den Rhein zur Ostgrenze des Römischen Reiches machte, unterwarf er auch die Treverer, den Keltenstamm, der sich germanischer Abstammung rühmte und zwischen Rhein und Maas seinen Wohnsitz hatte. Im Zuge der Neuordnung Galliens bestimmte Kaiser Augustus im Jahre 16 v. Chr. die Treverersiedlung an der Mosel zur Hauptstadt, und ihm zu Ehren trug sie die Bezeichnung 'Augusta Treverorum'. Bereits 60 Jahre später sprechen römische Geschichtsschreiber von Trier als von einer 'sehr reichen und wohlhabenden Stadt'. Nach einigen vergeblichen Versuchen der Treverer, ihre Freiheit wieder zu erlangen, begann für die Stadt in einer fast 200 Jahre währenden Friedenszeit erste bedeutende Blüte. Die Ruinen des 30.000 Menschen fassenden Amphitheaters am Petersberg und die des riesigen Bäderpalastes der Barbarathermen in der Nähe der Mosel sind beredte Zeugen für das stark pulsierende Leben des römischen Trier im 1. Jahrhundert nach Christus. Diese Stätten der Erholung und Volksbelustigung bildeten die Endpunkte der großen Prachtstraße, die als Mittelachse den schachbrettartigen Stadtplan der Römerstadt durchzog. In ihrer Mitte, auf dem Grundstück des Katholischen Bürgervereins, fand man Reste des Forums, des römischen Rathauses, das den Mittelpunkt der Stadt bildete und großen Versammlungen diente. Einen Flächenraum von 285 Hektar umfassend, war Trier fast dreimal so groß wie das römische Köln.
Trier war Sitz des Stadthalters der Provincia Belgica und des Generalsteuereinnehmers, was zur Folge hatte, daß ein großer Stab von Beamten hier wohnte. Es war wirtschaftlicher Mittelpunkt des Gebiets diesseits der Rheingrenze, Schnittpunkt eines Netzes von bedeutenden Straßen nach allen Richtungen. Als Sammel- und Handelsplatz der landwirtschaftlichen Erzeugnisse der treverischen Grundbesitzer und Stapelplatz der römischen Handelsware für die Garnisonsstädte am Rhein, erlebte es eine hohe wirtschaftliche Blüte, an der Einheimische und römische Kaufleute in gleichem Maße teil hatten. Tuch- und Töpfergewerbe waren berühmt, die Rebe, schon vorher hier angepflanzt, fand eine ausgedehnte Kultur und bildete die Grundlage zu einem schon damals blühenden Weinhandel, von dem die Neumagener Grabdenkmäler als steinerne Zeugen künden. Wie sie, so weisen auch die Igeler Säule (das Grabmal einer Tuchhändlerfamilie), der herrliche, gut erhaltene Mosaikboden der Villa in Nennig und der der Jagdvilla in Odrang im Kreise Bitburg auf die Wohlhabenheit der Trierer Bürger hin.
Trier: das 'zweite Rom'
Diese erste Blütezeit Triers erfuhr eine jähe Unterbrechung durch den Einfall der Franken im Jahre 275, die den Limes durchbrochen hatten und Trier in Schutt und Asche legten. Doch diese Katastrophe wurde Anlaß zu einer zweiten, weit glänzenderen Blütezeit. In der Notwendigkeit, den Westen des Reiches ganz besonders zu sichern, wurde das Reich geteilt, und Trier wurde die Hauptstadt des weströmischen Reiches, das Gallien, Spanien und Britannien umfaßte. Aus der Provinzhauptstadt war es kaiserliche Residenz geworden, politischer und militärischer Mittelpunkt und blieb es über 100 Jahre. In seinen Mauern entfaltete sich nun der Glanz der kaiserlichen Hofhaltung. Prachtbauten entstanden, deren Ruinen noch heute das römische Trier kennzeichnen. Trier wurde das zweite Rom. Amphitheater und Barbarathermen wurden wieder aufgebaut. Inmitten der Stadt bildete der Kaiserpalast mit dem prunkvollen Thronsaal, der heutigen Basilika, der Zirkus und der noch in Ruinen erhaltene Kaiserpalast eine gewaltige, die Stadt überragende Gebäudegruppe. Zu ihrer Sicherheit erhielt die ausgedehnte Stadt, die im Süden bis in die Nähe der heutigen Matthias-Basilika reichte, eine 6 Meter hohe Mauer, von Wehrtürmen unterbrochen. Von ihren vier Toren ist das Nordtor, die heutige Porta Nigra, als imposanteste Ruine erhalten geblieben. Daß sie nicht, wie so viele andere Großbauten dieser Zeit, Steinbrechern zum Opfer fiel, verdankt sie ihrer Benutzung zu kirchlichen Zwecken. Im 11. Jahrhundert baute sie Erzbischof Poppo zu einer Kirche des Hl. Simeon um. Auch die Kaiser- und Barbarathermen verdanken ihre heutige Existenz ähnlichen Grüßen.
Zentrum des Christentums
Die Glanzzeit des kaiserlichen Trier brachte auch eine Blüte des kirchlichen, christlichen Lebens. Das Christentum hatte im Treverer Land früh Eingang gefunden. Die Legende führt es auf den Hl. Petrus zurück, dessen Abgesandte, die Heiligen Eucharius und Valerius, an der Stätte, die heute ihre Leichname birgt, der heutigen Basilika St. Matthias, die erste christliche Kirche errichteten. Kaiser Konstantin, der 313 dem Christentum die freie Ausübung seiner Religion gestattete, und seine Mutter, die Hl. Helena, begünstigten die große Trierer Christengemeinde in hohem Maße. Den Nachkriegsjahren war es durch die Grabungen gelungen, nachzuweisen, daß der Dom auf einem römischen Palast erbaut ist. Aus den Fundstücken bei den Grabungen im Dom konnten Deckenmalereien eines Prunksaals zusammengesetzt werden, die 'eine bisher der Archäologie und Kunstgeschichte fast unbekannte Welt in farbigen Bildern offenbarte.' So hatte das christliche Trier in unmittelbarer Nähe des kaiserlichen Palastes eine Doppelkirche, auf deren Grundriß der Dom, der in seinem quadratischen Zentralbau noch das römische Mauerwerk birgt, und die Liebfrauenkirche stehen. Trier kann sich also rühmen, die älteste deutsche Kathedrale in seinen Mauern zu besitzen.
Durch die immer gefährlicher werdenden Einfälle der Germanen sahen sich die römischen Kaiser um das Jahr 400 gezwungen, ihren Sitz nach Arles im heutigen Südfrankreich zu verlegen. Das bedeutete das Ende der Kaiserherrlichkeit in Gallien. In den ersten Jahrzehnten des 5. Jahrhunderts eroberten die Franken viermal die Stadt und brannten sie nieder. Trier kommt unter fränkische Herrschaft und wird Sitz eines fränkischen Gaugrafen; die Basilika wird fränkische Königspfalz. Die Kirche bleibt Hüterin der antiken Kultur, und Trier wird hervorragender Mittelpunkt kirchlich kulturellen Strebens. Die Erzbischöfe, meist altem deutschen Adel entstammend, leiten durch ihr Wirken eine neue Periode des Ansehens und des Wohlstandes der Stadt und des Erzbistums ein. Trier wird Metropole einer Kirchenprovinz, der die Bistümer Metz, Toul und Verdun untergeordnet sind.
Vom Erzbistum zum Kurstaat
Das geistige Leben nimmt einen ungeahnten Aufschwung durch die Gründung zahlreicher Klöster und Stifte um die Domstadt, so im Norden St. Maximin und im Süden St. Eucharius, später nach Auffindung der Gebeine des Apostels, St. Matthias genannt. Die zweite Teilung des Karolinger Reiches bringt Trier zum rechtsrheinischen Reiche Ludwigs des Deutschen. Noch einmal wird es durch den Einfall der Normannen im Jahre 882 ein Raub der Flammen. Seine Bedeutung als kultureller und völkischer Mittelpunkt im Westen des Reiches wächst von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Die Erzbischöfe vereinigen immer mehr Rechte auf ihr Amt und werden gleichzeitig Reichsfürsten. Sie erhalten königliche Rechte wie Münz- und Marktrecht sowie die Gerichtshoheit, mit der sie Schultheis und Schöffen betrauen. Erzbischof Heinrich I. errichtete 958 das Marktkreuz als Zeichen seines Marktrechts, und von dem von ihm angelegten Marktplatz, dem Kreuzungspunkt der Straßen von Metz und von der Moselbrücke, entwickelte sich das mittelalterliche Trier. Die Trierer Erzbischöfe, vielfach verwandt mit deutschen Königshäusern, erweisen sich als beste Stützen des deutschen Kaisertums und gewinnen bedeutenden Einfluß auf die Geschicke des Reiches. Im 13. Jahrhundert sind sie zur höchsten Würde des Reichsfürsten emporgestiegen, zur Würde des Kurfürsten, der mit sechs anderen seines Ranges den deutschen Kaiser zu wählen hatte. Das Erzbistum wurde Kurstaat. Erzbischof Balduin, wohl der größte unter den Kurfürsten, wurde Begründer des Kurstaates Trier. Zweimal war ihm, der Bruder Kaiser Heinrichs VII. und Großonkel Karls IV. war, die Leitung des Reiches als Reichsverweser übetragen.
Prachtvolle Kirchenbauten
Die Jahrhunderte des Mittelalters sind gekennzeichnet durch eine Blütezeit christlichen Kunstschaffens. Der Dom wurde im Anfang des 11. Jahrhunderts durch Erzbischof Poppo um den romanischen Westchor und 150 Jahre später unter Hillin um den Ostchor erweitert. Die Porta Nigra wurde durch Erzbischof Poppo zu Ehren seines Freundes, des Hl. Simeon, in zwei übereinanderliegende Kirchen umgewandelt, von denen nur die um die Mitte des 12. Jahrhunderts angebaute spätromanische Ostapsis mit der Säulengalerie erhalten geblieben ist. Paulinus- und Matthiaskirche wurden neu errichtet und durch Papst Eugen III., der 1148 in Trier ein Konzil abhielt, feierlich eingeweiht. Um diese Zeit entstand auch die Liebfrauenkirche, eine Perle der frühgotischen Baukunst. Sie ist, wie neueste Forschungen ergeben haben, die Nachfolgerin einer parallel zum Dom gelegenen römischen Basilika und das erste Werk der Frühgotik auf deutschem Boden.
Erstarkung des Bürgertums
Die Zeit des kulturellen Aufschwungs der Stadt Trier ist auch die Zeit der Erstarkung des Bürgertums. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts erhielt Trier einen Stadtrat mit dem Recht, ein Stadtsiegel zu führen. Stadtschöffen waren wohlhabende Bürger, die auf ihrem zum Teil landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz in festungsartigen Turmhäusern wohnten, von denen heute noch zwei, der Frankenturm in der Dietrichstraße und das Dreikönigenhaus (Café Bley, Simeonstraße) erhalten geblieben sind. Um das Jahr 1300 erkämpften sich die in Zünften zusammengeschlossenen Handwerker das Recht, an der Verwaltung der Stadt mitzuwirken. Mit ihren neun Vertretern, den Schöffen und zwei Bürgermeistern bildeten sie den Rat der Bürgerschaft. Trier gehörte zu den volkreichsten Städten des Reiches. In der Mitte des 13. Jahrhunderts zählte es 12.000 Einwohner und überflügelte damit die Reichsstadt Basel und kam Frankfurt nahe. Künste und Wissenschaft, lange eine Domäne auf kirchlichem Raum, wurden nun auch von der Bürgerschaft gepflegt. 1473 bereits errichtete die Stadt eine Universität, die über 300 Jahre segensreich gewirkt hat.
Kauf- und Rathaus sowie das Ratsherrenkasino, die Steipe, zeugten wie viele gotische Wohnhäuser von der Wohlhabenheit und der Kultur der Bürgerschaft. Lange Zeit war es das Streben der Bürgerschaft, sich von der Herrschaft des Kur-fürsten freizumachen und die Reichsunmittelbarkeit zu erlangen. Sie war ihr von Kaiser Maximilian, der 1512 in ihren Mauern einen glänzenden Reichstag abhielt, versprochen worden. Die durch eine Fehde geschwächte Finanzkraft der Stadt gestattete jedoch nicht, den erforder-lichen Verpflichtungen nachzukommen, und so blieb es bei der Abhängigkeit vom Kurfürsten.
Während die Zeit der Reformation ohne tieferen Einfluß und Zerstörungen für die Stadt verlief, brachte ihr der Dreißigjährige Krieg Not und Elend und Tod, Spanische und französische Truppen belagerten, eroberten und verwüsteten die Stadt, und kaum hatte sich die weniger als 3.000 Einwohner zählende Stadt von den Schlägen erholt, brachten die Kriege Ludwigs XIV. erneute Schrecken und Elend, zeitweise auch Trennung vom Reich. Der Kurfürst hatte seinen Sitz nach Ehrenbreitstein verlegt.
Nach Niedergang Blüte der Barockzeit
Eine neue Blüte brachte die Barockzeit des 18. Jahrhunderts. In einem wirtschaftlichen Aufschwung friedlicher Jahrzehnte entwickelte sich eine lebhafte Bautätigkeit. Moselbrücke und Stadtmauer wurden wieder aufgebaut. Der Kurfürst, der wieder zurückgekehrt war, ließ durch den genialen Baumeister Johannes Seitz den herrlichen Südflügel seines Palastes errichten. Die Paulinuskirche, durch die Kriegswirren zerstört, entstand unter Kurfürst Franz Georg nach einem Plan Balthasar Neumann, des berühmten deutschen Baumeisters, und ist ein Glanzstück unter den Rokokobauten Deutschlands. Weitere prachtvolle Bauten dieser Zeit zieren noch heute Trier, so das Kesselstattsche Palais, das Universitätsgebäude (heute Teil des Priesterseminars, Jesuitenstraße), die Königsburg (heutiges Postgebäude, Fleischstraße) wie andere hervorragende Privathäuser.
Eine jähe Unterbrechung des Aufschwungs und das Ende des Kurstaates brachte die Französische Revolution von 1789. Trier und Koblenz wurden Tummelplatz der Emigranten, die eine Gegenrevolution vorbereiteten. Sie schlossen sich 1792 dem Feldzug an, den Österreich und Preußen gegen das revolutionäre Frankreich unternahm und der unglücklich für die Verbündeten verlief. Die französischen Truppen rückten bis zum Rhein vor, Trier wurde für 20 Jahre Hauptstadt des französischen Saar-Departements, bis 1814 die Truppen des Generals Blücher das linke Rheinufer zurückeroberten.
Trier wird 'preußisch'
Im Wiener Kongreß 1815 wurde der Kurstaat Trier nicht wieder errichtet. Er kam mit dem Kurfürstentum Köln an Preußen, das aus beiden die Rheinprovinz bildete. Trier wurde Sitz einer preußischen Bezirksregierung und preußische Garnison. Die Struktur der Stadt hat sich von Grund auf gewandelt. Der Glanz der kurfürstlichen Residenz ist geschwunden, doch ist Trier als Bischofssitz Mittelpunkt eines weithin ausstrahlenden kirchlichen und kulturellen Lebens geblieben. Für große Industrie fehlen die Voraussetzungen. Wie in früheren Jahrhunderten ist Trier Hauptort des Weinbaus und Weinhandels, berühmt durch die alljährlich stattfindenden Weinversteigerungen. Nachdem in den 70er Jahren Eisenbahnverbindungen mit Köln, Koblenz und Saarbrücken hergestellt waren und so der Zugang zu den Industriegebieten an Ruhr und Saar hergestellt war, konnte sich eine beachtliche Kleinindustrie wie Gerbereien, Eisengießereien, Tuch-, Tabak-, Zigarren- und Zigarettenfabriken entwickeln, welche das wirtschaftliche Leben der Stadt erfreulich belebten.