Geschichte der Stadt Rüdesheim am Rhein
Die ersten Rüdesheimer lebten vor rund 2.500 Jahren als seßhafte Bauern auf verstreuten Einzelgehöften, trieben Viehzucht und pflanzten Getreide an. Sie kleideten sich mit selbstgewirkten Stoffen, die mit Gewandnadeln zusammengehalten wurden, schmückten sich mit schönen Hals- und Armringen aus Bronze und fertigten noch ohne Töpferscheibe irdenes Geschirr, das mit einfachen Ornamenten verziert war.
Dies wissen wir heute so genau, da aus jener Zeit noch weit über hundert Grabhügel erhalten sind. Darin sind die Gebeine und vergängliches Material wie Stoff, Leder und Holz längst vermodert, doch Bronzegerät, Keramik und Steinwerkzeug blieben erhalten und sind in Museen in Rüdesheim und Wiesbaden zu sehen.
Solche Grabhügel, die dicht bei den alten Siedlungen lagen, gab es einst nicht nur im Wald, sondern auch an den Südhängen bis hinab zum Rheinufer; doch wurden sie dort durch die tiefgehenden Weinbergsrodungen verwischt, und nur bei Bauarbeiten werden ab und zu solche alten Bestattungen freigelegt.
Die frühen Rüdesheimer waren offenbar keltischer Herkunft, doch wissen wir nicht mehr, wie sie sich nannten. Die Historiker bezeichnen sie als Bandkeramiker oder Ubier und Mattiaker doch bleiben diese Begriffe nur Vermutungen. Kurz vor der Zeitwende wurden diese Menschen durch ungebetenen Besuch gestört: die Römer erschienen am Rhein. Offenbar fühlten sich diese hier so wohl, daß sie schließlich mehr als 400 Jahre blieben. Während dieser langen Zeit gewöhnten sich die Ur-Rüdesheimer an die Gäste. Sie besuchten staunend die Römerstädte am linken Rheinufer trieben dort Handel und traten in römische Dienste. Dabei konnten sie allerlei von den Römern lernen: den Bau fester Steinhäuser und wendiger Schiffe, vor allem aber die systematische Kultur der Weinrebe. In und um Rüdesheim gab es einige römische Landgüter welche die Truppen mit Wein versorgten. Münzen, Terra-sigillata-Geschirr, sogar Reste eines Mosaikfußbodens zeugen hiervon. Wichtigster Fund ist aber ein römisches Rebschnittmesser, das um 1900 in der Nähe der Niederburg gefunden wurde und beweist, daß hier schon vor 2000 Jahren Weinbau betrieben wurde, der bis heute die wirtschaftliche Grundlage Rüdesheims blieb.
Im 3.-4. Jahrhundert wanderten allmählich Franken vom Niederrhein in den Rheingau ein, die in der römischen Verwaltung genug Erfahrungen sammelten, um nach dem Ende der römischen Ära im 5. Jahrhundert die Führung zu übernehmen und mit dem merowingischen Reich ein gut geordnetes Staatswesen aufzubauen. Spätestens seit dem 8. Jahrhundert wurde der Rheingau zu einem eigenen Verwaltungsbezirk, der von den Rheingrafen als fränkische Gaugrafen geführt wurde. Vermutlich haben diese damals in Rüdesheim die Niederburg als Amtssitz eingerichtet, in dem Angehörige ihrer Sippe über Generationen hinweg als Beamte (Ministerialien) tätig waren. Diese Familie nannte sich schließlich "die Edlen von Rüdesheim" und wurde zum Ursprung eines weitverzweigten Ortsadels.
Aber auch der geistige Adel, die Erzbischöfe von Mainz suchten im Rheingau als einem wohlhabenden und weingesegneten Landstrich Fuß zu fassen. Durch Schenkungen und Kauf wurden sie hier zu Großgrundbesitzern und gewannen so wachsenden politischen Einfluß, für den die berühmte Veroneser Schenkungsurkunde von 983 nur einer von vielen Schritten war. Die Rheingrafen als Vertreter königlicher Macht verloren mehr und mehr ihre Befugnisse, wurden 1279 endgültig aus dem Rheingau verdrängt und an ihrer Stelle trat der "Vicedom" als Repräsentant des Mainzer Stuhls. Der Rüdesheimer Adel wurde in Mainzer Dienste übernommen und der Erzbischof siegelte während des 12. Jahrhunderts mehrere Urkunden in seinem Rüdesheimer Amtssitz, die Niederburg.
Von dem lebhaften Warenverkehr auf dem Rhein erhob Mainz in Rüdesheim einen eigenen Zoll, der so einträglich war, daß sich um 1220 der Bau einer Zollburg Ehrenfels oberhalb des Binger Loches lohnte. Durch diese neue Landesburg wurde die Niederburg entbehrlich und ging als freier Besitz (Allod) an die Herren von Rüdesheim über. Allerdings wurde wegen einer unglücklichen politischen Unternehmung die Burg schon 1279 wieder zu Landesbesitz erklärt aber den Rüdesheimer Adligen weiter als Lehen überlassen mit der Auflage, die Burg ständig in einem wehrfähigen Zustand zu erhalten. Häufige kriegerische Überfalle waren der Anlaß, die Burg noch bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts zum heutigen Umfang auszubauen.
Dieser mächtige Steinquader mußte damals, als die Rheinstraße noch 5 Meter tiefer lag, inmitten der niedrigen Fachwerkhütten noch eindrucksvoller ausgesehen haben und war der wehrhafte Kern einer weitläufigen Burganlage, die sich mit Gesindehäusern, Scheuern, Ställen und Gärten einem Hospital und einer St. Nikolauskapelle vom Bienengarten (der nichts mit den fleißigen Honigsammlern zu tun hatte. sondern "binnen der Burgmauern" lag) bis hin zur Amselgasse erstreckte. Im 13. Jahrhundert gingen Teile dieses Areals in andere Hände über: als Schenkungen an die Klöster Eberbach, Marienhausen und das Mainzer St. Victors-Stift, durch Kauf und Erbschaft an andere Adelsgeschlechter wie die Stoltz von Bickelheim und die Ritter von Groenesteyn: an die örtliche Landesvertretung als Zehnthof in der Steingasse, vor allem aber an den Rüdesheimer Ortsadel, dessen Familienzweige hier ihren eigenen Burgsitz erbauten: die Oberburg für die "Füchse von Rüdesheim" und als ehemals fränkisches Herrenhaus der Brömserhof an die "Brömser von Rüdesheim".
Ein weiterer Adelssitz, die Vorderburg nahm mit ihrem weiten Mauerring die ganze Westseite des Marktplatzes ein, und man kann annehmen, daß diese schon gleichzeitig mit dem bürgerlichen Rüdesheim entstanden ist. Der Kern der bürgerlichen Altstadt ist nördlich des Marktplatzes zu suchen, wo der romanische Turm der Stadtpfarrkirche St. Jacobus als Schutz diente. Der Name Rüdesheim (in alten Urkunden abgewandelt in Ruodinesheim, Rodenesheim, Rothesheim usw.) läßt sich nicht schlüssig deuten. Vermutungen, daß es sich nach fränkischer Manier um das "Heim des Ruodi" gehandelt habe, sind allzu naiv, denn da hier bereits jungsteinzeitliche Siedler lebten, wird es wohl kaum einen Rudi gegeben haben, der den ersten Stein zur Stadt legte. Urkundlich wird Rüdesheim erstmals 1074 erwähnt und es ist bezeichnend, daß sich diese Urkunde auf den Weinbau bezieht. Ausgesprochenen Großgrundbesitz gab es damals noch nicht, sondern nahezu jeder Bürger ob Kaufmann, Handwerker, Wirt oder Tagelöhner bewirtschaftete durch Kauf oder Pacht ein paar Weinberge und beteiligte sich so an dem Lotteriespiel von großen und schlechten Weinjahren. Die beste Weinbergslage, der steile Rüdesheimer Berg zwischen der Stadt und Burg Ehrenfels war in Hunderten von kleinen Parzellen mit Riesling- und Orleansreben bepflanzt und bis ins 19. Jahrhundert nur auf schmalen Pfaden erreichbar. Von dem Rüdesheimer Weinsegen sicherte sich die Landesobrigkeit ihren Anteil durch den Zehnten, eine Naturalsteuer die den zehnten Teil aus jeder Traubenbütte beanspruchte. Nur die adligen Weinberge blieben zehntfrei. Die Rüdesheimer Weinernte wurde einst binnen Jahresfrist auf einem eigenen Weinmarkt verkauft. Zwischen einem guten Dutzend angereister Kaufleute und dem Gemeinderat wurde ein einheitlicher Preis ausgehandelt, zudem die guten wie die schlechten Weinfässer verkauft und von der Schröterzunft an die Schiffe am Rhein verladen wurden. So ging der Rüdesheimer Wein in weite Teile Europas und wurde wegen seiner Kraft und Güte gelobt.
Kein Wunder, daß Rüdesheim mit seinen reichen Weinkellern immer wieder das Ziel kriegerischer Überfälle war und arg verwüstet wurde (z. B. 1242, 1301 und 1318). Selbst die alte romanische Jacobuskirche blieb nicht verschont, sodaß 1390 die Ritter Brömser als Inhaber des Kirchenzehnten neben dem alten Kirchturm Langhaus und Chor neu erbauen mußten. Die Turmspitze zieren statt des üblichen Gockelhahns Halbmond und Stern. Eine fromme Legende bringt diese ungewöhnlichen Embleme in Zusammenhang mit einem Kreuzzug ins heilige Land, bei dem ein Ritter Brömser in heidnischer Gefangenschaft die Stiftung der Kirchen in Rüdesheim, Nothgottes und Bornhofen gelobt habe, eine rührende, aber historisch nichtbelegte Geschichte.
Die soziale Rolle der Adligen wird immer wieder überschätzt. Einige Angehörige des Rüdesheimer Ortsadels waren zwar als Vicedomeoder in anderen hohen Rängen tätig, sie genossen auch einige steuerliche Vergünstigungen, doch war ihr Vermögen in Rüdesheim nicht unermeßlich und durch Heiratsmitgiften weit außerhalb des Rheingaues verstreut. In Gemeindesachen waren ihnen die Bürger mit Schultheiß und einem Ehrbaren Rat, mit einem eigenen Schöffengericht und dem Haingericht zur genossenschaftlichen Verwaltung von Wald und Flur ebenbürtig. Und aus bürgerlichen Kreisen gingen nicht minder bedeutende Leute hervor, wie es der adlige Rudolf von Rüdesheim als Bischof von Breslau und Lavant (1400-1482) war - mehrere Äbte von Eberbach und Maria Laach entstammten aus Rüdesheimer Patrizierfamilien und der Rüdesheimer Jacob Fidelis Ackermann (1765-1815) war eine wissenschaftliche Berühmtheit an der Universität Heidelberg. Hoch und nieder hielten sich also die Waage.
Das 15. und 16. Jahrhundert blieben weitgehend von Kriegsläufen verschont und brachten für Rüdesheim einigen Wohlstand. Die Ringmauer als Stadtbefestigung wurde von der Löhrstraße bis zur Steingasse erweitert und durch mehrere Türme verstärkt, von denen nur der Adlerturm als ehemaliger Pulverturm erhalten blieb. In einer Zeit allgemeiner Trinkfreudigkeit blühte der Weinmarkt und am Rhein hatte ein neuer Weinkran viel zu tun. Schiffsmühlen mahlten nicht nur Korn, sondern auch andere technische Rohstoffe und der Rhein war von vielen Schiffen belebt. Für den wachsenden Verkehr hatte Rüdesheim eine besondere Bedeutung, denn hier endete die Landstraße und aller Verkehr rheinabwärts mußte auf Schiffe umsteigen, da es noch keine Rheinuferstraße nach Assmannshausen und Lorch gab. Deshalb fanden zahlreiche Rüdesheimer Schiffer ein gutes Auskommen als Fracht- und Fährschiffer, als Lotsen und Flossteuerleute. Viele Reisende machten in Rüdesheim Station, um ein geeignetes Schiff abzuwarten. So gab es auch schon eine ganze Reihe behäbiger Gasthöfe.
Das Binger Loch war zwar ein gefährliches Hindernis für die Schiffahrt, aber keineswegs so unüberwindbar, daß alle Güter hätten auf dem Landweg das Riff umgehen müssen. Den angeblichen "Kaufmannsweg" über die Höhen zwischen Rüdesheim und Lorch, über den schwerbeladene Fuhrwerke gerumpelt seien, hat es nie gegeben; nein, der Rhein war einst weit belebter mit Nachen und klobigen Oberländer-Kähnen als heute und die Register der Zollburg Ehrenfels überraschen, welche Mengen an Gütern das Binger Loch passierten.
Die Reformation und soziale Spannungen führten zu den Auseinandersetzungen des Bauernkrieges 1525. Auch die Rüdesheimer und Eibinger waren maßgeblich daran beteiligt. Doch die Rheingauer verhielten sich besonnen, unterließen alle Gewalttaten und legten dem Mainzer Landesherren eine Liste von durchaus berechtigten Forderungen vor. Mainz zeigte sich auch einsichtig und verhandlungsbereit, bis von außen her der Schwäbische Bund mit Gewaltandrohung eingriff. Leider hat die geschichtliche Überlieferung aus dieser Tragödie, die neben Todesurteilen auch den Verlust der alten Rheingauer Freiheit bedeutete, eine Farce gemacht.
Mit dem 30jährigen Krieg setzte auch für Rüdesheim eine schwere Zeit ein, denn die Kriegswirren gingen hier nicht nach 30 Jahren zu Ende, sondern setzten sich in den Erbfolgekriegen bis hin zum Freiheitskrieg 1815 fast ununterbrochen fort. Die Stadt wurde so verwüstet, daß 1686 der Mainzer Landesherr die Bürger durch Vergünstigungen zum Wiederaufbau ermutigen mußte. Keller und Scheuern waren leer, durch Geiselnahme und Waffengewalt erpreßte die Soldateska aus aller Herren Länder immer neue Kontributionen, bis die Rüdesheimer verschuldet und mutlos waren. Wenn auch die Pest Rüdesheim ziemlich verschonte, so wurden doch viele Güter herrenlos und konnten während des 18. Jahrhunderts von fremden Leuten, die als "Forensen" sich nicht an den bürgerlichen Abgaben beteiligten, für einen Spottpreis erworben werden.
Hinzukam die Schwäche der Mainzer Landesregierung, die durch die Besetzungen von Mainz oftmals im Exil weilte und zunehmend handlungsunfähig wurde. Statt wirksame Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheits- und Schulwesens zu treffen, erschöpfte sie sich in der Einführung eines neuen Kirchengesangbuches, was schließlich 1787 die Rüdesheimer zum offenen Aufruhr reizte, dem heftigen "Gesangbuchkrawall". Mit unverhältnismäßigen Mitteln und aufgefahrenen Kanonen wurden die Aufständischen unterdrückt. Umso größer waren die Hoffnungen, welche die Rüdesheimer 1806 in die neue Zeit setzten, als nach über 900 Jahren die Mainzer Herrschaft endete und der Rheingau an das neugeschaffene Herzogtum Nassau überging. Ringmauer und Stadttürme wurden verkauft und teilweise abgebrochen, auch das alte Hirtenhaus hatte ausgedient (die Burgen waren schon 1689 zu Ruinen zerstört worden).
Rüdesheim wurde Metropole eines eigenen Amtes, das zeitweise bis Braubach reichte. 1818 erhielt es stillschweigend den Status einer Stadt (Rüdesheim hatte schon lange zuvor als "Flecken" eine städtische Verfassung). Dennoch waren die alten Sorgen noch nicht weggewischt. 1820 hatte Rüdesheim noch mehrere Tausend Gulden Kriegsschulden aus den Jahren 1794-98 zurückzuzahlen. Eine lange Reihe von Mißernten kam hinzu, der Wein war nicht zu verkaufen, die Bürger konnten ihre Steuern nicht zahlen, die Stadtkasse war leer und mußte neue Schulden machen. Die Armen wurden ärmer, die Reichen reicher, eine soziale Kluft tat sich auf. Dies mündete schließlich in den Unruhen von 1831 und 1848, die sich auch in Rüdesheim auf dem Niederwald abspielten.
Dennoch ließen die Rüdesheimer den Kopf nicht hängen, sondern nützten alle Möglichkeiten des anbrechenden technischen Zeitalters. 1815 gründete P.F.F. Dilthey die erste von zahlreichen Weinhandlungen, deren große Weinlager dafür sorgten, daß die Winzer nicht mehr Notverkäufe zu schlechten Preisen tätigen mußten. 1825 landete das erste Dampfschiff und 1856 fuhr die erste Eisenbahn in Rüdesheim ein. Diese neuen Verkehrsmittel trugen nicht nur den Rüdesheimer Wein hinaus in alle Welt, sie brachten auch immer mehr Reisende, für deren Wohlbefinden eine große Zahl behaglicher Gasthöfe und Weinstuben sorgte. Neben dem Weinhandel entstanden auch Schaumweinkellereien und Weinbrennereien, deren Tradition heute noch fortgesetzt wird.
Der zunehmende Wohlstand brauchte neue Arbeitskräfte, für die es in der Altstadt zu eng wurde. Um 1830 ließ man deshalb den alten Stadtgraben zur Grabenstraße überwölben und öffnete so den Zugang nach Osten hin für neue Wohnviertel. 1842 entstand hier die erste Synagoge, 1862 ein Gotteshaus der evangelischen Kirchengemeinde. Im gleichen Jahre brachte eine eigene Gasfabrik helleres Licht in die Stadt. 1888 läutete hier das erste Telefon und 1892 löste eine Wasserleitung die alten Brunnen ab. 1899 wurde eine neue Volksschule feierlich eröffnet. 1902 verbesserte ein großes Krankenhaus die Fürsorge, nachdem schon 1853 im alten Brömserhof ein städtisches Heim für Arme und Alte eingerichtet worden war. Es ist schon erstaunlich, mit welcher Umsicht und Tatkraft die Stadtväter innerhalb von 50 Jahren Rüdesheim zu einer modernen Stadt umkrempelten.
Besondere Anforderungen stellte der Bau eines Nationaldenkmals auf dem Niederwald in den Jahren 1877-83. Viele teure Investitionen waren erforderlich, bis die mächtige Statue der Germania zum neuen Anziehungspunkt für Touristen wurde, die einst mit der romantischen Zahnradbahn hinauf dampften, heute mit einer modernen Kabinenseilbahn hinaufschweben.
Der 1. Weltkrieg brachte eine Zwangspause, doch danach dehnte sich Rüdesheim um weitere Straßenzüge aus. 1939 kam durch Eingemeindung das benachbarte Weindorf Eibingen hinzu, das schon seit dem Mittelalter eng mit Rüdesheim verbunden war. In Eibingen hatte vor mehr als 700 Jahren die Heilige Hildegard ein Kloster gegründet, das nach der Zerstörung des Mutterklosters Ruppertsberg im 30jährigen Kriege die Reliquien der großen Äbtissin bewahrte. Der kostbare Schrein ruht heute noch an gleicher Stelle in der 1920 nach einem Brand neu erbauten Eibinger Pfarrkiche, während oberhalb des Dorfes seit 1904 eine neue Benediktinerinnenabtei St. Hildegard die geistigen und religiösen Traditionen pflegt.
Der 25. November 1944 wurde zum schwarzen Tag für Rüdesheim, als ein schwerer Bombenangriff weite Teile der Stadt zerstörte und über 200 Tote forderte. Die ältesten Gebäude der Altstadt blieben dabei verschont und nach einem zügigen Wiederaufbau gewann Rüdesheim seinen alten, weinduftenden Zauber zurück. Seitdem kamen neue Wohngebiete hinzu, 1953 die Siedlung Windeck, 1970 die Siedlung Trift und 1977 Rüdesheim-Ost. Die Einwohnerzahl ist dabei von einstmals 1.500 Bürgern auf 6.500 Einwohner angewachsen.
Kommunalpolitisch wurde die ehemals kurmainzische und nassauische Amtsstadt mit der Eingliederung nach Preußen 1867 Kreisstadt des Rheingau-Kreises. Als dieser in seinen Grenzen seit fränkischer Zeit unveränderte Rheingau 1977 durch eine Gebietsreform zum Rheingau-Taunus-Kreis erweitert wurde, siedelte die Kreisverwaltung von Rüdesheim nach Bad Schwalbach über. Gleichzeitig wurden die vormals selbständigen Gemeinden Assmannshausen, Aulhausen und Presberg nach Rüdesheim eingemeindet.
Assmannshausen und Aulhausen
Assmannshausen am Eingang zum Mittelrheintal wurde schon 1108 bei einer Weinbergsschenkung urkundlich erwähnt und dürfte somit im Alter kaum hinter Rüdesheim zurückstehen. Tief in die Berge eingeschnitten, waren die Weinberge dort nur begrenzt, wurden aber ob der köstlichen Rotweine aus Spätburgunder-Trauben hochgerühmt. Ein Großteil dieser Weinberge gehörte einst dem Mainzer St. Victors-Stift und anderen Forensen, ging nach der Säkularisation an die Staats-Domäne und heute das Hessische Staatsweingut über. Wie dieser Rotwein den ganzen Ort beseelt, beweisen historische Gestalten, wie der " Pfarr' von Assmannshausen" Justus Moyss, den Scheffels Studentendlied besang, oder der Doktor Oellers, der den Rotwein als wirksame Medizin empfahl. Bekannte Dichter wie Emanuel Geibel und Ferdinand Freiligrath weilten oft und gerne hier und machten mit ihren Versen Assmannshausen zu einem beliebten Reiseziel. Wegen der besonderen geologischen Formationen wurde hier im Mittelalter eine Zeit lang Silberbergbau betrieben. Auch entdeckte man eine warme Heilquelle am Rhein, die im 19. Jahrhundert einen lebhaften Kurbetrieb in "Bad Assmannshausen" auslöste. Eine besondere Zunft waren hier durch Jahrhunderte die "Halfen", die mit ihren Pferden die Rheinschiffe stromauf durchs Binger Loch schleppten. Diese schwere Arbeit übernahmen vor etwa 100 Jahren die bulligen Vorspannboote, die auch bei Havarien im Binger Loch hilfreich zur Stelle waren. Heute stehen für den Gast neben zahlreichen Hotels und Weinstuben eine Sesselbahn zum Niederwald, Ausflugsboote zur malerischen Burg Rheinstein und Museen zur Automobilgeschichte bereit. Aulhausen, das Dorf auf der Höhedes Niederwalds leitet seinen Namen von den "Ulnern" (Töpfern) ab, die hier jahrhundertelang Gebrauchskeramik, darunter auch schöne irdene Weinkrüglein herstellten. Die Geschicke des Dorfes wurden lange von einem uralten Benediktinerinnenkloster Marienhausen bestimmt, das weite Teile der Felder bewirtschaftete. Nach der Säkularisation von 1806 wurden die Klostergebäude zu einem Jugendheim Marienhausen und einem sonderpädagogischen St. Vinzenzstift eingerichtet. - Die Aulhäuser betreiben ebenfalls einen regen Weinbau und schenken ihren Gästen in den Gasthöfen einen guten Tropfen ein.
Presberg
ist ein wahres Musterdorf, nicht zuletzt weil es 1968 durch ein groß angelegtes Landesprogramm saniert wurde und schon früh durch eine Flurbereinigung die weiten Felder neu ordnete. Früher bestand Presberg nur aus einer handvoll Häusern um eine alte Kirche, heute scharen sich schöne Landhäuser dazu, Landwirtschaft und vor allem Viehzucht waren einst die Lebensgrundlage, in den Wintern arbeiteten die Männer als Holzhauer oder verdingten sich im Schieferbergbau des Wispertales. Sogar Weinberge gediehen an den Südhängen des Grohlochtales, von denen man heute noch Stützmauern findet. Erst spät, am Anfang dieses Jahrhunderts, kehrte hier die Technik ein, wurde eine Fahrstraße nach Lorch gebaut und eine eigene Wasserleitung gelegt. 1968 kam ein schönes Gemeindehaus hinzu. Presberg ist für viele Gäste ein erholsamer Ferienort, denn durch die weiten Wälder und die stillen Wiesentäler läßt sich herrlich wandern.
Rolf Göttert (1995)
Stadtarchivar