Geschichte der Stadt Dessau-Roßlau
Dessau ist reich an Traditionen. Die Stadt mit ihren etwa 90.000 Einwohnern liegt in einer außerordentlich reizvollen, kulturhistorisch durch Nutzung und Gestaltung geformten Auenlandschaft an Mulde und Elbe, die inzwischen zu großen Teilen als Biosphärenreservat 'Mittlere Elbe' von der UNESCO unter Schutz gestellt wurde.
12. Jh.
Im Jahre 1213 erstmals urkundlich erwähnt, lassen jedoch andere Zeugnisse bereits für das 12. Jahrhundert eine planmäßige Gründung Dessaus als Marktsiedlung auf einer hochwasserfreien Talsandzunge zwischen dem Altsiedelland und eroberten slawischen Gebieten vermuten. Weit ältere Orte im heutigen Stadtgebiet (Kühnau, Stene, Sollnitz) deuten auf eine frühe und dichte Besiedlung des Raumes.
15. Jh.
Nachdem Dessau im Laufe des 15. Jahrhunderts mehrfach dem zeitweiligen Aufenthalt des Hofes der Askanier (Anhaltiner) und damit der Landesverwaltung gedient hatte, wurde die Stadt ab 1471 zu deren fester Residenz.
16. Jh.
Einen ersten Aufschwung erlebte Dessau im 16. Jahrhundert. Urbarmachung und
Entwässerung des umliegenden Landes, Erweiterung der Stadtgrenzen, Bau der ersten,
hölzernen, Brücke im Bereich der mittleren Elbe und die Errichtung prächtiger Bauten im
Auftrag der Fürsten von Anhalt kennzeichnen diese Zeit. Nur der Johannbau als westlicher
Flügel des Stadtschlosses (1530 bis1534) - zugleich eines der wichtigsten Bauwerke
mitteldeutscher Renaissancebaukunst - und die Marienkirche (1506-1534) blieben davon
erhalten.
Aus der Zeit enger Kontakte der anhaltischen Fürsten zu den Wittenberger Reformatoren um
Luther verwahrt die Anhaltische Landesbücherei eine umfangreiche Privatsammlung von
Reformationschriften - die Fürst-Georg-Bibliothek. Der Übertritt der anhaltischen Fürsten zum
reformierten Glaubensbekenntnis hatte weitreichende Folgen. Enge Beziehungen zur Kurpfalz,
Brandenburg und den Niederlanden entstanden.
17. Jh.
Unter der Herrschaft Johann Georg II.(1660-1693), der Juden und Lutheranern die öffentliche Ausübung ihrer Gottesdienste gestattete, erholte sich Dessau langsam von den Folgen des 30jährigen Krieges und prosperierte, unterstützt auch von Georgs Gemahlin Henriette Catharina von Nassau-Oranien, zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum. Durch diese Heirat kam auch eine Bildersammlung niederländischer und flämischer Maler,die 'Oranische Erbschaft', nach Dessau, die den Grundstock der umfangreichen Sammlungen der Anhaltischen Gemäldegalerie bildete.
18. Jh.
Leopold I. von Anhalt Dessau (1676 - 1747) - der 'Alte Dessauer' - diente als Generalfeldmarschall in preußischen Diensten. Er ließ neue Straßenachsen anlegen, erweiterte die Stadt, gründete fürstliche Domänen und schuf mit seinem Wirtschaftsregime eine der Grundlagen für das Reformwerk seines Enkels, des als 'Vater Franz' verehrten Leopold III. Friedrich Franz (1740 - 1817). Unter dessen Regierung entwickelte sich Dessau zu einem Zentrum der deutschen Aufklärung mit bedeutenden Zeugnissen der Bildung und Kultur, der Weltoffenheit und des humanistischen Geistes. Freunde und Berater des Fürsten, wie Erdmannsdorff, Eyserbeck und Schoch, unterstützten ihn bei der Gestaltung des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches als Ausdruck der Ideale von Aufklärung und Humanismus. Von weiteren, über die Grenzen Anhalts hinauswirkenden Reformprojekten ist vor allem der Versuch Basedows bekannt, von hier aus das Schulwesen in Deutschland neu zu gestalten. Das 1774 gegründete Dessauer 'Philanthropinum' gilt als das früheste Modell einer staatlichen, auf Naturwissenschaften und praktisches Leben orientierten Schule Deutschlands, von der auch die Einführung des Turnens als Unterrichtsfach wie überhaupt starke Impulse für die Sportentwicklung ausgingen.
19. Jh.
In der Zeit von 1863 bis 1918 war Dessau die Hauptstadt des gesamten Herzogtums Anhalt.
Die ab Mitte des 19.Jahrhunderts zunächst langsam einsetzende Industrialisierung
veränderte das Gesicht der Stadt. Der Gasindustrie folgten Maschinenbau,
chemische Industrie und Flugzeugbau. Als Hugo Junkers nach Arbeiten an Großmotoren
und Gasgeräten sich der Konstruktion von Flugzeugen zuwandte - 1919 entwickelte und
baute er das erste verspannungslose Ganzmetall-Verkehrsflugzeug der Welt - dominierten die
Junkers-Werke bald die Industriestruktur der Stadt. Mit der Industrialisierung wuchs die
Bevölkerung. Zahlreiche, architektonisch und soziologisch bedeutsame Siedlungen
entstanden seit den 90er Jahren in und um Dessau, darunter die von Walter Gropius
entworfene Bauhaus-Siedlung in Dessau - Törten.
20. Jh.
1926 siedelte das aus Weimar vertriebene Bauhaus nach
Dessau über und fand hier günstige Entwicklungsbedingungen.
Architektur und Kunst, Technik und Design wurden weltweit vom
Bauhaus beeinflußt. Walter Gropius, Paul Klee, Wassily
Kandinsky, Lyonel Feininger, Oskar Schlemmer, Laszlo
Moholy-Nagy, Marcel Breuer und Mies van der Rohe arbeiteten
hier neben vielen anderen. 1932 erzwangen die
Nationalsozialisten die Schließung des Bauhauses Dessau.
Aus den 1933 verstaatlichten Junkers-Werken entstand ein
Rüstungszentrum der Luftwaffe,dem zahlreiche alliierte
Luftangriffe galten, die schließlich 84% der Innenstadt
zerstörten. Der Wiederaufbau begann 1951 und brachte der
Stadt zunächst einige neoklassizistische Gebäude, denen bald
zahlreiche Plattenbauten folgten, während Altbausubstanz
verfiel. Dessau wurde zu einem großindustriellen Zentrum der DDR.
ab 1990
Seit 1990 hat sich in Dessau architektonisch,
infrastrukturell und funktionell viel verändert.
Zahlreiche historische Gebäude und Anlagen
wurden restauriert, Lücken geschlossen,
attraktive Einkaufs- und Erlebnisbereiche sind
im Zentrum gewachsen.
1993 entstand in einem wieder aufgebauten
Meisterhaus das Kurt-Weill-Zentrum, dessen
jährlich veranstaltetes Kurt-Weill-Fest national
und international viel Beachtung findet. Die im
Jahre 1986 (neu) gegründete Institution Bauhaus besteht seit 1994 als Stiftung von Bund,
Land und Stadt Dessau und der ehemalige Flugplatz der Junkerswerke wurde 1994 wieder in
Betrieb genommen. Das 'Anhaltische Theater' hat wieder einen Platz unter den großen
deutschen Bühnen, und eine spezifische Form der Vermarktung von Industrieflächen ist als
'Dessauer Weg' im Gespräch.
Als drittgrößte Stadt des Bundeslandes Sachsen-Anhalt und Oberzentrum der Region ist Dessau heute
Sitz zahlreicher Landesbehörden und künftig auch des Umweltbundesamtes.
Als Teil der Korrespondenzregion der Expo2000 und Modellstadt des Projektes 'Städte der Zukunft'
fühlt sich Dessau, wie seit über 200 Jahren, der Zukunft verpflichtet.